Wiege des Golfsports in China? - Schotten "not amused"
Mittelalterliche Gemälde aus der Ming-Dynastie zeigen Golf-ähnliches Spiel
28.04.2006 Sie haben das Schießpulver erfunden, den Regenschirm, das Papier und
womöglich sogar die Schubkarre. Auch Porzellan wurde zuerst
von Chinesen gebrannt, die Geheimnisse seiner Herstellung entdeckten die
Europäer erst Hunderte Jahre später. In China reklamiert man jetzt auch noch die Urheberschaft an einem
urbritischen Zeitvertreib - dem Golfen. Das gehe nun wirklich zu weit, finden
die Gralshüter des Sports im schottischen St. Andrews. In der "Heimat des
Golfs", empört man sich über eine Ausstellung im fernen Peking, die zuvor
bereits in Hongkong zu sehen war. Darin wird ein Gemälde aus der Ming Dynastie
gezeigt, auf dem Höflinge etwas tun, das dem modernen Golfspiel sehr ähnlich
sieht. Dazu zeigt die Ausstellung noch hölzerne Schläger und Bälle, alle eigens
für die Exposition angefertigt - nach alten Vorlagen.
Es sei bekannt, dass es viele verschiedene rudimentäre Varianten eines
Stock-Ball-Spiels in der Welt gegeben habe, erklärte ein Vertreter das St.
Andrews Links Trust. "Wir wissen aber, dass das Spiel Golf, wie wir es heute
kennen, zuerst in St. Andrews gespielt wurde."
Zunächst war die Ausstellung "Zeitvertreib im Alten China" im Hongkonger
Heritage Museum zu sehen, ihre Hauptattraktion stellte das Gemälde "Das
Herbst-Bankett" dar. Auf der Rolle aus der Ming-Dynastie schwingen Mitglieder
des Hofes die Schläger. Ein kleiner Ball ist ebenso zu erkennen wie Löcher auf
grünem Grund.
Chinesisches Golf Hinderte Jahre älter ?
Das Spiel, das die Höflinge spielen, heißt Chuiwan, wörtlich übersetzt:
Ball-Schlagen. Die Darstellung soll aus dem 14. Jahrhundert stammen. In
Schottland wurde das Golfspiel erstmals im 15. Jahrhundert schriftlich erwähnt:
1457, als es vom Parlament unter König James II. verboten wurde.
Doch zum Ärger der Schotten gibt es offenbar noch ältere Zeugnisse
chinesischer Golfleidenschaft: Auf einem Wandgemälde aus der Yuan Dynastie (1271
bis 1368) werden ebenfalls Schläger geschwungen. Auch eine
Chuiwan-Spielanleitung, angeblich aus dem Jahr 1282, wird in der Ausstellung
gezeigt. Es dürfte sich dabei um die älteste bekannte Anleitung eines
Golf-ähnlichen Spiels handeln.
"Dank dieser Dokumente können wir sagen, dass Chuiwan und Golf sich sehr
ähneln", sagte Tom K. C. Ming der Zeitung "International Herald Tribune".
Ming war Chefkurator der Ausstellung in Hongkong.
Ling Hongling, ein pensionierter Professor der Universität Lanzhou, glaubt
sogar, dass die chinesische Golfvariante 500 Jahre älter ist als die
schottische. Er verweist unter anderem auf ein Lied aus dem 10. Jahrhundert, in
dem von Löchern die Rede ist, die man graben müsse, um Bälle
hineinzubefördern.
Nach Lings Meinung haben Chinesen nicht nur den Golfsport erfunden, sondern
ihn auch noch nach Europa gebracht. Ein Buch aus dem 13. Jahrhundert, das die
Mongolen mitbrachten, soll das Spiel im Westen bekannt gemacht haben.
China neigt dazu Erfindungen für sich zu reklamieren
Die Neigung einiger chinesischer Historiker, kulturelle und technologische
Leistungen nachträglich für das Reich der Mitte zu reklamieren, ist jedoch kein
gänzlich unbekanntes Phänomen. Unter anderem die Entdeckung Amerikas, die
Erfindung des Buchdrucks mit bewegten Lettern und die Bierbraukunst wurden
bereits als chinesische Leistungen beansprucht.
So überzeugen in Schottland die Indizien einer ostasiatischen Golf-Erfindung
niemanden so recht. Die Abgrenzungen gegenüber dem ostasiatischen Zeitvertreib
zeichnen sich - vielleicht vorsichtshalber - durch begriffliche Spitzfindigkeit
aus. Mike Woodcock vom St. Andrews Links Trust sagte: "Wir glauben, dass sich
das Spiel, aus dem sich das 18-Loch-Format entwickelt hat, zuerst hier gespielt
wurde".
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